Samstag, 25. Juli 2015

Der Kompromiss als Verstärkung des Dilemmas


Regionale Denkstrukturen unterbinden globale Menschlichkeit

 Der moderne Massenmensch, nach meiner Definition der „Interimsmensch“, besitzt kaum eine eigene Denkstruktur, er verlangt, wenngleich mehr oder weniger unbewusst, nach Fremdstrukturierung durch Traditionen und Indoktrinationen, die beide durch Massenmedien und Realisierungen von Konsum- und Verhaltenszwängen „nach bestem Wissen und Gewissen“ ausgelebt werden.
Das geschieht jedoch nicht ohne ein gehöriges Maß an Schuldbewusstsein wegen der so lebensbedingten Verstöße gegen gepredigte Sonntagsprinzipien, welche die herrschenden Klassen überall auf dem Globus im Sattel halten.

Man denkt – wenn überhaupt – regional aufgrund mangelnder Kenntnisse und Bildung, man versteht andere Kulturen nicht, weil sie sich vor allem in ihren kriegerischen Potenzialen so deprimierend ähnlich, das heißt gegeneinander gefährlich sind.
Die Menschheit leidet immer gravierender unter dem Dilemma einer technologisch um sich greifenden Globalisierung, während es eine globale geistige Aufklärung nicht gibt. „Aufklärung“ entstand im Abendland unter ganz spezifischen philosophischen Voraussetzungen und Gegebenheiten, die zwar globale Gültigkeit ableiten mögen, weil ja auch die technologisch-wissenschaftlichen Errungenschaften des Okzidents universal anerkannte werden (im Falle von Naturgesetzen anerkannt werden müssen), die aber milliardenfach auf psychologischen Widerspruch und Nichtakzeptanz stoßen.
Es ist die Rede von Werten, die woanders mit Selbstverständlichkeit als Unwerte verurteilt werden. Solche Unverträglichkeiten münden zwangsläufig in Konfliktanhäufungen, denen keine verbindliche „Welt-Ethik“ Einhalt gebieten kann, weil es auch sie in Ermangelung der Aufklärung nicht gibt. Religionen dienen in dem Szenario wie eh und je lediglich der Interessenspaltung mit allerdings vernichtenderer Bewaffnung als zuvor.
Die Aufrüstung der Kontrahenten erfolgt skurrilerweise nicht selten mit dem ideologischen Gegner in „gemeinsamen“ Geschäfts- und Stabilitätsinteressen.
Kalter Krieg und Stellvertreterkriege scheinen vielen Entscheidungsträgern nicht nur unvermeidlich, sondern in ihrer Unweisheit schlussendlich sogar anstrebbar.

Keine Weltanschauung, welche auch immer, kann die Augen davor verschließen, dass die kleinen, besonders aber die großen Macht- und Ballungszentren jeweils ihre Positionen als „unumstößlich“ überbewerten, sich gar nicht der Mühe unterziehen, eine globale Philosophie zu entwickeln. Unter Globalisierung verstehen diese durchweg kleinkarierten „Macher“ stets die eigene Hegemonie, für deren Durchsetzung jedes Opfer und jedes Verbrechen gegen die Menschlichkeit als gerechtfertigte Tugend pervertiert wird.
Schachereien zwischen den unversöhnlichen Selbstverständnissen werden üblicherweise als diplomatische Kompromisse  gepriesen, weil ja sonst „überhaupt nichts ginge“. Was da wirklich vor sich geht, beinhaltet – auf die gesamte Weltszene bezogen – kurzfristige Milliardengeschäfte für die Kapitalisten und für die Politstrategen Stabilisierungen der etablierten oder geplanten Unrechtssysteme.

Derartige Machteskalationen richten sich direkt gegen das menschliche Individuum; es wird wie in antiken Schlachtordnungen zum Interessen- und Kriegsmaterial, zum Verheizen erzogen und gezwungen.
Über den desaströsen Gesamtzustand mögen in einigen Erdregionen Wolkenkratzer, Autobahnen, Flughäfen und andere neuzeitliche Infrastrukturen hinwegtäuschen, sie spiegeln aber umso drastischer den Konkurrenzkampf der Systeme wider.

Auf dieser Basis kann es keinen Frieden geben, außer der begrenzten, taktierenden Waffenruhe. Damit ist und bleibt der Krieg das unausweichliche Schicksal der Menschen, wie er es während der gesamten Menschheitsgeschichte blutig und grausam als Ergebnis beschränkter Hirnfunktionen prägt.
Die Primitivität lebt von Verbrüderungen gegen traditionelle und immer wieder neu definierte Feindbilder, in einem Patriotismus, der sich auch und nunmehr vor allem gegen eine freiheitliche Welt- und Werteordnung richtet.
Niemand sollte sich der Träumerei verschreiben, Religionen könnten, etwa durch Revolutionen, abgelegt werden. Die Göttermärchen bildeten sich über Generationen, Jahrhunderte, sogar Jahrtausende hinweg. Lösten sie sich plötzlich auf, fiele der Interimsmensch in orientierungslose Ratlosigkeit.
Es ist aber höchste Zeit für eine götterfreie und auch esoterikfreie Menschheitsphilosophie. Sie kann sich zunächst nur im Kontext aufgeklärter Menschen aus allen Teilen der Welt herausschälen. Ich denke dabei konkret an die im Kosmonomischen Manifest beschriebenen Ansätze.
Diese stellen aber logischerweise für alle Religiösen und für andere Doktrinentreue eine beängstigende Gefahr dar, der sie sich bis auf Weiteres mit aller Gewalt erwehren.
Unter der entschiedenen Ablehnung kann sich eine freiheitlich demokratische Welt-Ethik nur parallel zu den bestehenden Dogmen-Systemen entwickeln und nur durch Gewaltfreiheit in der Sache des Friedens und Rechts, der Lebensförderung statt der gängigen Lebenszerstörungen überzeugen.
Auch so ein Prozess wird Generationen benötigen. Erschwerend kommt hinzu, dass er über keine staats- oder religionsähnliche Organisationsstruktur verfügt. Die UNO käme unter Umständen dereinst infrage, bleibt jedoch für einen Fortschritt völlig bedeutungslos, solange die mächtigen Ideologie-Kartelle mit Veto-Rechten die Stagnation im untauglichen Staus quo garantieren.

Es ist richtig, dass die sogenannte Realpolitik auch immer wieder den faulen Kompromiss suchen muss – als Interimslösungen, die nichts mit einer Weltverbesserung im realen Verständnis zu tun haben, sondern mit der aktuellen Verwaltung der dümmlichen Animositäten und Eifersüchteleien im Regionalen und des Chaos der Welt.
Ehrliche Kompromisse setzen ehrenhafte Partner auf Augenhöhe voraus, wie sie etwa in praktizierter Demokratie um das Gemeinwohl ringen.
Von diesem Ideal entfernt sich jedoch die Menschheit, sie überlässt die Macht, kritikloser denn je, dem Kapital, das sogar ehemalige kommunistische Erzfeinde korrumpiert.

Der Versuch, kosmonomische, global geltende Menschlichkeitswerte zu entwickeln, um sie später vielleicht institutionalisieren zu können, bedeutet, dass die philosophische Denkrichtung nicht im Fatalismus resigniert.
Sie erkennt aber ihre gegenwärtige Chancenlosigkeit, weil sie
  1. noch nicht detailliert ausgereift ist und
  2. den Wettlauf mit dem immanenten Zerstörungswahn der Realpolitik gar nicht gewinnen könnte, denn sie agiert in einer völlig anderen, von Realpolitikern unverstandenen Disziplin.

Im ungünstigsten Falle bereitet kosmonomische Philosophie die Verständigungsbasis einer nach der Selbstzerstörung der Massenmenschheit post-chaotischen völlig neuen Wertegemeinschaft vor.



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