Dienstag, 29. Juni 2010

Kreationismus: Auch die Einfalt ist eine evolutionäre Option

Hinlänglich bekannt ist die Erkenntnisblockade der katholischen Kirche mit dem von ihr diktierten ptolemäischen Weltbild. Der kulturelle Schaden im Hinblick auf eine verhinderte andere Menschheitsgeschichte lässt sich nicht abschätzen.
Immerhin fand in der Neuzeit eine, wenn auch zögerliche Öffnung statt, wesentliche Teile des wissenschaftlichen Erkenntniszuwachses werden inzwischen kirchlicherseits akzeptiert.
Bedeutung hat der Sinneswandel zunächst nur für eine Minderheit der Erdbevölkerung, denn die Mehrheit folgt anderen, häufig noch verschrobeneren Religionen und Ideologien. Unter dem Aspekt ist es wohl zutreffend, das Christentum der Gegenwart als die vordergründig „humanste“ Jenseitsmentalität zu betrachten. Die bisher weitreichendsten demokratischen Entwicklungen erfolgten – mit all den zu beklagenden Einschränkungen – in den christlichen Kulturregionen.

Mit dieser leicht nachvollziehbaren Feststellung erschöpfen sich aber bereits die Meriten, denn das Christentum und seine schier unüberschaubaren Aufspaltungen und Ableger beherrschen den Menschen nach wie vor, die Methoden sind jedoch subtiler, das heißt, getarnter, verborgener und gerissener, eben undurchsichtiger vor allem auch im Zusammenspiel mit anderen Religionen und Weltanschauungen, Esoterik und Pseudowissenschaften eingeschlossen.

Nicht der Mensch als Individuum stellt das Ziel dar, sondern der ungehemmte Machtanspruch herrschender Cliquen, die sich ihrerseits untereinander befehden und kein Opfer und Risiko zur eigenen Glorie ausschließen.
Es mögen diese Binsenweisheiten sein, die besonders auch Christgläubige an der „schlechten Welt“ verzweifeln lassen. Schuld daran kann aber kein „Gott“ sein!
Nein, es ist der Mensch, der nach Wissen strebt und „Gott“ in Frage stellt. Damit hat man das Feinbild etabliert: Es ist die Wissenschaft.
Für die naiv auf Glauben Getrimmten ist klar, dass die „Wissenschaft“ irrt, besonders exponiert in der darwinschen Evolution.
Man selbst hat zwar von Wissenschaft keine Ahnung oder ein schräges Bild, sodass es umso leichter fällt, „Gottes“ Kreationismus getreu der kindlichen und kindischen Bibelsprache dogmatisch einzufordern.
Objektivierbare Beweisführungen und offensichtliche Zusammenhänge werden gebetsmühlenartig vom Tisch gefegt, denn neben der wissenschaftlichen Kausalität bedeutet Objektivität für die Kreationisten bereits einen „Gottesfrevel“.
Im Sinne des Wortes ist der kreationistische Blick beschränkt.
Diese eingeengte Sicht, die ihre Hochburg vor allem im sogenannten Bibel-Gürtel in den USA angesiedelt hat, strebt weltweit nach Macht und Einfluss; die Mittel dazu stehen ihr durch knochig konservative Gläubige in reichem Maße zur Verfügung.
Man beachte parallel dazu auch das desolate allgemeine US-Bildungssystem als Paradebeispiel für Glaubenszuwachs auf der Basis von Bildungsmangel. Die Eliteuniversitäten sorgen lediglich für den Nachwuchs des Machtestablishments.

Die einfältige Ideologie beeinflusst bereits höchste Entscheidungsträger, obgleich die Leugnung der Evolution, also von Entwicklung überhaupt, die sich überall im Mikro- wie im Makrokosmos offenbart, dem Offenbarungseid menschlicher Intelligenz gleichkommt, gnadenlos mit folgenreichen Fehlschlüssen.
Ausgerechnet die von der katholischen Kirche abtrünnigen und sich der „wahren“ Bibelauslegung verbunden fühlenden Evangelikalen vollziehen den dramatischen Rückschritt, zurück ins vorsintflutliche Weltbild.
Das hindert jedoch auch „fortschrittliche“ Protestanten und sogar Katholiken in Europa nicht daran, den gleichen fundamentalistischen Irrwitz zu verkünden, weniger am Stammtisch als in zweifelhaften Seminaren, und sogar in Bildungsgremien.

Noch sind die Phantasten des „Designer-Gottes“ eine Minderheit, die jedoch missionarisch die Gesellschaft aufmischt.
Schon manche Fehlentwicklung hat die Evolution einfach aussterben lassen.
Der Mensch als intelligentes Wesen aber ist keine evolutionäre Fehlentwicklung, so wie ihn die Religiösen redundant als „erlösungsbedürftig“ abwerten.

Das freilich unterscheidet die kosmonome Philosophie umfassend von der Weltensicht der Leidensverehrer und biblisch Betrogenen.

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