Montag, 14. Juni 2010

Das Gesellschaftsspiel "Aphorismus"

Im Umfeld von komplexen Verquickungen und Kompliziertheiten, nicht selten zelebriert in Aufgeblasenheit, Wichtigtuerei und Tarnung der eigentlichen Ahnungslosigkeit und Unfähigkeit, erfrischen immer wieder prägnante, kurze Formulierungen in der Form von Aphorismen.

Häufig „treffen sie den Nagel auf den Kopf“ und sind dabei keiner Stilform noch sonstiger Mode unterworfen.
Aphorismen symbolisieren eine Macht von Freiheit, und sie unterstreichen das gegebenenfalls durch ihren Wahrheitsgehalt, der sich in der direkten Sprache erschließt oder aufgrund von Doppel- und Mehrdeutigkeit zum Denken anregt.

Die Themenauswahl ist frei und unbegrenzt, so können Aphorismen sehr spontan entstehen, um variabel Gesellschaftskritik und Anregungen zu verdeutlichen, ohne unbedingt Namen und Fakten zu benennen und vordergründige juristische Auseinandersetzungen zu provozieren. Diesen Vorzug teilt der Aphoristiker ähnlich mit dem Kabarettisten.

Als Leser muss man den jeweiligen Inhalt nicht akzeptieren, man sollte ihn jedoch niemals voreilig abtun, gerade weil die Versuchung dazu in der Kürze der Aussagen besteht.
Besonders während der Lektüre von Aphorismensammlungen kommt die Gefahr der oberflächlichen Würdigung auf. Oft sind es feine Sprachnuancen, Schreibweisen oder Zeichensetzungen, die den Kern des Anliegens umspielen.
Die Kunst des Autors besteht, etwas anders als bei Roman- oder Theaterautoren, in der „geschwinden“ Erfassung einer Situation bei adäquater Formulierungscharakteristik.

Im Wesentlichen sind zwei Sprüchekategorien zu unterscheiden, nämlich Aphorismen einerseits, die den Schreiber quasi „überfallen“, nach denen er aber vielleicht auch in einem bestimmten Zusammenhang sucht, und andererseits Aphorismen, die als markante Zitate aus umfangreicheren Werken entnommen werden.
Darüber hinaus gibt es bekanntermaßen die Weisheiten des Volksmunds, für die kein Autor benannt werden kann.

Der Reiz mancher neuzeitlichen Aphorismen besteht in der verblüffenden Bestätigung „uralter“ Wahrheiten; persifliert wird die sich endlos wiederholende „Erfindung des Rades“.

Oftmals werden Aphoristiker als „Autoren mit wenig Zeit“ belächelt.

Als auch Aphorismen-Autor erwidere ich den Kritikern solches Lächeln, denn der heute zumeist gehetzte Leser sucht doch gerade die schnelle Kurzfassung, wenngleich er schon wieder zaudert, wenn im geübten Eiltempo auf einmal deutlich die Aufforderung nach einer Denkpause, wohlgemerkt, einer Pause zum Denken steckt.
Aphorismen spiegeln die Gesellschaft, sie spielen mit der Gesellschaft, wie die Gesellschaft mit Aphorismen spielt.

Sprüche zum Tage, zur Woche, zu jeder festlichen Angelegenheit, zum beliebigen Anlass.

Manch einer ergeht sich in Ermangelung eigener Gedanken in Sprüchezitaten, viele „klopfen“ Sprüche, sie verhetzen auch wie eh und je.

Und was da heute beschämend unter dem Deckmantel von Demokratie „Salonfähigkeit“ erreicht, ist immer einen Aphorismus wert:

Irren ist menschlich, überaus menschenwürdig ist die Korrektur des Irrtums.
(Sequenzen von Skepsis, Nr. 774)

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