Donnerstag, 7. Januar 2010

Kosmonome Befindlichkeit

Befindlichkeiten einer Gesellschaft unterliegen Strömungen, denen der Einzelne wenig entgegenzusetzen vermag, es sei denn, die bedingte Flucht durch Rückzug oder gar „Ausstieg“. Die eingeläutete Zukunft wird derartiges Verhalten jedoch erschweren und schon bald verhindern.
Geboren aus einer allgemeinen konservativ-knöchernen Prüderie und einem Hurra-Patriotismus, der seine Freiheit gewaltig flachgelegt hatte, entstanden einst die ach so viel zitierten 68er. Und wie alle Revoluzzer schossen sie zwar über ihre Ziele hinaus, die sie in der überwiegenden Anhängerschaft mangels Konzeption sowieso nicht formulieren konnten, aber sie bewirkten eine allgemein leichtere Sicht der Dinge, weil ihr „Fuck for Peace“ viel Wahrheit darstellte, zumal mit „Flower Power“ in jungen Jahren.

Dass auch da Vieles durcheinander ging mit fernen Kampfgenossen a la Che Guevara (1967 verstorben) und anderen alles andere als gewaltfreien Ideologen, beweist das Heuchlerische der 68er, die mehrheitlich die Zusammenhänge über ihrer allgemeinen Geilheitsszene gar nicht kannten.

Die aus diesem Wirrwarr erwachsen in leitende Funktionen gerieten, setzten mit „antiautoritärer Erziehung“ ihre Blümchenphilosophie um und lassen uns alle die Ernte einer hohnsprechenden Bildungskonzeption einfahren.
Der angeblichen sexuellen Befreiung folgte die ideologisierte Frauenbewegung, die schlicht heraus von einer verwerflichen männlichen Sexualität fabulierte und eine mimosenhafte, uralte Prüderie wiederbelebte. Männer waren zu aller Verderbtheit fähig, da passte die Predigt eines hohen Domherrn ins Konzept, der allen Ernstes davor warnte, dass Väter ihre Säuglinge trockenlegten, wäre doch die sexuelle Versuchung allgegenwärtig. Jeder Vater von Töchtern galt als potentieller ...... ! Neuerdings erwischt es aber auch Frauen, die nun sensationslüstern wegen Knabenmisshandlungen vorbestellt werden.

Dass Misshandlungen und Missbrauch von Menschen rechtswidrig sind, steht außer Frage, sodass ich forciere: Wer missbraucht Menschen verwerflicher als Regenten, die Menschen für politische Ziele in den Krieg verpflichten, um andere Menschen zu töten und um letztlich selbst getötet zu werden?

Vor einiger Zeit diskutierte man in den Niederlanden, ob nicht zwölfjährigen jungen Menschen unbeeinträchtigt und nach erfolgter tabuloser Aufklärung Geschlechtsverkehr erlaubt sein sollte. – Natürlich eine aufwühlende Herausforderung!

Mir scheint, der Begriff „Missbrauch“ benötigt eine gründliche religiöse Entrümpelung und nicht minder eine psychologisch-religionsfreie Definition, die sich daran orientiert, dass Gewalt, Zwang und Erpressung nicht zu tolerieren sind, sexuelle Lebensfreude im Einklang reifer Partner aber nicht Gegenstand öffentlichen Interesses oder gar der Strafverfolgung sein kann. In einer konsequenten Rechtsprechung, befreit von traditioneller Sexualfeindlichkeit, könnte sich eine humane Gesellschaft fortentwickeln. Doch offensichtlich besteht derzeit wenig Bedarf dazu in der Öffentlichkeit, die sich vermehrt um Durchsichtigkeit jeder individuellen Angelegenheit bemüht; was man liest, welche Speisen man bevorzugt, wohin man reist, der Kontostand, Vorlieben, Abneigungen – alles längst mit staatlicher Absegnung oder Initiative missbraucht!

Die Gutgläubigen, die jeder Philosophie etwas abgewinnen, wehren sich nicht, weil sie keine Vorstellungen von der Skrupellosigkeit der Datenschnüffelei haben, von der sie direkt betroffen sind. Grundlagen für den beispiellosen „freiwilligen“ Demokratieabbau sind konstruierte Feinbilder, die sich aus politischen Terrorszenarien ableiten und ebenso jede Naturkatastrophe zur Verunsicherung der Massen hoch dramatisieren bis hin zum biblischen Apokalypse-Ende.

In perfider Regelmäßigkeit stützt der Kapitalismus Verbrechernaturen als Staatsmänner, da sie angeblich wichtige Verbündete im Anti-Terrorismus, früher auch Anti-Kommunismus darstellen. Zeigen die so geförderten Schergen ihr tatsächliches Gemüt und schlachten ab, was sich ihnen als Opposition entgegenstellt, hat der gerechte Kapitalismus allen Grund, nunmehr gegen solche Schurken vorzugehen, das Land mit Krieg und Chaos zu überziehen – im Interesse von Freiheit und Demokratie, ungeniert verlogen. Ein paar Millionen Tote, auch durch Sanktionen besonders gegen die Zivilbevölkerung liegen nüchtern innerhalb des Kalküls und sind unbedeutend angesichts der Gewinne von Waffenherstellern und -exporteuren. In Europa wäre die terroristische Bedrohung kaum vorhanden, hätten sich die hiesigen Regierungen aus den US-amerikanischen Kriegsambitionen herausgehalten und erkannt, dass der mächtigste und grausamste Terrorist noch vor einem Jahr G.W. Bush hieß und dass sein Nachfolger bisher wenig änderte, denn die Geld- und Machtclans pflegen sich bei Zeiten um „geeignete“ Nachfolger zu kümmern.

Der Terrorismus ist hausgemacht, um die Demokratie – so zart die Pflanze überhaupt ist – auszutrocknen. Wenige Kartelle besitzen das alleinige Entscheidungsvermögen, das Wählerpublikum stellt lediglich die durch Propaganda zu beeinflussende Fußvolkmasse.

Peter Scholl-Latour, anerkannter Journalist und Autor, sagte im Herbst 2007 in einer Fernsehsendung sinngemäß, eine freie Presse gäbe es nicht mehr, da dort nur wenige Personen entschieden, was veröffentlicht werden dürfe. Seine Meinung (Scholl-Latours; d. Verf.) könne er eigentlich nur noch über seine Bücher verbreiten, weil die sich eben gut verkauften.
Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich hinzufügen, dass es mir schon vor einigen Jahren unmöglich war, in den Medien anthroposophie-kritische Beiträge zu veröffentlichen. Entweder hieß es seitens der Redaktionen lapidar, man hätte sich eben dagegen entschieden, oder bei einzelnen Redakteuren kam die ehrliche, sinngemäße Antwort: „Wenn ich das bringe, ist das wahrscheinlich mein letzter Tag in dem Hause.“

Jeder kann mit entsprechenden Programmen via Internet jedem in den Garten schauen, Vorgänge am und rund ums Haus verfolgen. Und damit auch diese Neugier dokumentiert wird, müssen zur „Terrorismusabwehr“ die Computerdaten aller Einwohner ebenfalls elektronisch abgeheftet werden. Tatsächliche Terroristen wissen solche Klippen allerdings zu umgehen. Dennoch, Demokratie muss angeblich durch Transparenz geschützt werden.

Aus dieser Umklammerung löst sich niemand mehr. George Orwells pessimistische Vision nimmt Gestalt an.
Im Gespür haben das inzwischen die meisten in der noch zivilisierten Welt; allein ihre Religionen als Ursache all dieser Desaster hindern sie daran, Alternativen zu suchen. Ohnmacht lastet archaisch auf den Massen, die nicht in der Lage sind, über den eigenen Schatten zu schauen, vergleichbar den Zeiten, als noch das geozentrische Weltbild galt.

Das bedeutet aber zu relativieren, denn für die absolute Mehrheit der Erdbevölkerung existiert in ihrer bedrängten Enge nicht einmal die Geozentrik, sondern lediglich die eigene Miniaturwelt, die von esoterischem Sud, von astralen Magien und Geheimnissen des Glaubens überquillt. „Such’ ihn überm Sternenzelt“, den Schöpfer! Man stelle sich einen derartigen Urheber vor, einen Architekten, einen Maler, einen Komponisten, einen Philosophen der Glorie allenthalben und ebenso des Untergangs, eben des Werdens und Vergehens in einem Universum, das uns Menschen beeindruckt und zugleich überfordert. Diese Schöpferkraft soll sich kümmern, ob ein Kind verbotenerweise nascht, ob sich Menschen sexuell vereinigen oder wie unter welchen Umständen sterben! Ein fortwährender alberner Strudel, des Schwindels, die Basis der Religiosität.

Befindlichkeiten unterliegen nicht nur für die Massen dem Zeitgeist-Diktat, denn der Zeitgeist ist bisher unverändert das größte Notstandsgebiet der Menschheit, dem nicht durch Entwicklungshilfe beizukommen ist, fehlt doch überhaupt eine Gesellschaft mit höherem Menschlichkeitsverständnis, und vor allem fehlt die Erkenntnis: Wir haben bisher trotz einiger erschlossener Naturgeheimnisse nichts verstanden, im Besonderen nicht den Menschen, weil man sich geistig primitiv vorzugsweise mit „Göttern“, statt mit Menschen einlässt und innerhalb derartiger Sucht die Naturgesetze, die Evolution weitreichend ignoriert.

Die Natur – nicht irgendein göttliches Wesen – wird unabhängig von „ethischen Werten“, ohne Sentimentalitäten aussondern, denn das viel zitierte Weltende der religiös Abgehobenen stellt eine Selbstüberschätzung dar: Die Menschen mögen sich nach mageren zwei Millionen Jahren beschämender Existenz vernichten, aber der faszinierende Globus Erde innerhalb einer Milliarden Jahre umfassenden Geschichte offeriert noch ganz andere Möglichkeiten. Eine Option dafür ist der Mensch, der sich besinnt. Das letzte Kapitel ist lange nicht geschrieben. Deshalb lohnt sich Aufklärung: Eine Befindlichkeit, die aus dem Zeitgeist entsteht, sich aber von seinem Diktat löst, um in ferneren Generationen das Diktat als antidemokratisch zu beerdigen.
Nach dieser Entsorgung erst wird die Gesellschaft in die Lage versetzt, humane Werte zu erarbeiten und Methoden der humanen Durchsetzung zu finden.
Kein Paradies wird beginnen, weil es solche Schwärmereien realiter nicht gibt, aber vielleicht neue Menschen – oder doch nur Dinosaurier neuerer Gangart, die sich den nächsten Kometenimpakt oder einen „Urknall“ ausmalen.

Spiritualität als Versenkung in religiösen Glauben und Aberglauben ermöglicht keine Selbstbesinnung und schon gar nicht Selbstbestimmung. Der scheinbare Gewinn solcher Vergeistigung ist leicht nachvollziehbar: Ruhe, Entspannung und Sammlung im Kopf mit positiven Wirkungen auf den Körper.
Heerscharen von Heiligen, Predigern, Gurus und Wundertätigen heilen auf diese Weise zumindest subjektiv und temporär. Spiritualität in der Form meint Ausstieg aus der Realität, meint Selbsttäuschung bis hin zur Selbsthypnose und Ekstase. Auf einer solchen Basis kann keine Gesellschaft funktionieren, die andererseits über Hightec-Instrumentarien verfügt.

Für den aufgeklärten Geist gibt es eine ganz andere Qualität des Spirituellen durch das Wahrnehmen faszinierender natürlicher Zusammenhänge, von denen der Mensch ein Teil ist. Dieses grandiose Szenario erschließt sich ihm nach und nach verständlicher, die Regie mag er wohl nie erkennen, weil seine Rolle in dem Schauspiel kurz und unbedeutend bleibt. Die philosophische Lehre daraus beschreibt eine selbstbewusste Bescheidenheit, und zwar in der Wertschätzung des eigenen evolutionären Standorts innerhalb der kosmologischen „Unendlichkeit“, im Bezug auf die Milliarden Jahre umfassenden geologischen Entwicklungen, unter Berücksichtigung der relativ kurzen Epoche der Menschheitsgeschichte und im Bewusstsein des eigenen, sinnvoller Weise endlichen Lebens auf dieser Bühne. Das ist mit anderen Worten kosmonome Philosophie. Ich erinnere: Kosmos – Welt, Universum; Nomos – Gesetz.

Die kosmonome Befindlichkeit erfordert im Gegensatz zur Religion und Esoterik ein grundlegendes Bildungsniveau, denn Aufklärung ohne Wissen und Bildung gibt es nicht, und es gibt sie schon gar nicht mit „Gott“.

Für den von „Gott“ befreiten Menschen öffnet sich eine Welt in Loslösung von religiös verkitschter Schuldphilosophie und Erlösungsbedürftigkeit unter humaner Nutzung der Zeitlichkeit, jetzt, hier und überall. Hinter jedem Naturphänomen – und der individuelle Mensch ist eines der atemberaubendsten überhaupt – prangt eine Galerie von erhebenden kausalen Abläufen! Sie durch Götterwunder weiterhin zu diskreditieren, ist das entscheidende Drama der Menschheit, die mit „Gott“ eine wesentliche Massenvernichtungswaffe weiterschmiedet.
Stattdessen die Kausalketten Glied für Glied fortschreitend zu verifizieren, sie unter Mühen zu entschlüsseln, ehrt den Menschen, führt ihn zur Bewunderung seiner Umgebung im engsten und weitesten Sinne, lässt ihn demütig Achtung vor der toten Materie und wertschätzendes Mitgefühl, Sorge und Sympathie für die belebte Natur, vor allem für den Mitmenschen empfinden.

Die Befindlichkeit, nunmehr am Scheideweg angelangt zwischen muffigen vaterländischen Hegemonialmentalitäten und Friedensaussichten auf Vernunftbasis, kann nur auf Hoffnung setzen und innerhalb solcher Zitterpartie auf die Überzeugungskraft des Wunders, das Natur heißt.

Sehr wahrscheinlich aber muss „Mutter Natur“ die Menschheit global erst einmal richtig züchtigen, damit alle bedrohende Angst ein Zusammenrücken notfalls erpresst. Denn es ist bisher der Mensch, – nur er! – der gegen Naturgesetze, damit gegen sich selbst verstößt.

1 Kommentar:

Eva hat gesagt…

"Spiritualität als Versenkung in religiösen Glauben und Aberglauben ermöglicht keine Selbstbesinnung und schon gar nicht Selbstbestimmung."

Das möchte ich doppelt unterstreichen. Ich bin zu demselben Ergebnis gekommen, nachdem ich mich eine Zeitlang in Esoterik-Gedankengebäuden umgesehen habe.
Seit ich davon Abstand genommen habe - meine Entwicklung hat mich dahin gebracht - frage ich mich manchmal, wie es möglich sein kann, dass dies von den Betroffenen überhaupt nicht gesehen wird. Ich selbst war nur mit einem halben Fuß in diesen Welten, da meine Instinkte mich davon abhielten, mich tiefer hinein zu begeben - eine gewisse Vorsicht und Skepsis konnte ich nie ablegen.
Doch viele - auch Menschen, die ich kenne - gehen ohne jegliche Skepsis und Kritikfähigkeit mitten hinein und das Einzige, das zu zählen scheint ist: "Mir geht es damit besser". Es gibt keinen distanziert-kritischen Blick, keine Reflektion - einfach nichts dergleichen. Kritik von außen, selbst wenn sie auf sachlicher Ebene statt findet und keinen persönlichen Angriff beinhaltet, zerbricht an der heftigen Abwehr von allem, das nicht zu den eigenen Überzeugungen passt.
Meiner Meinung nach eine mehr als beunruhigende (Massen)Entwicklung, die aus sich selbst heraus erstarkt, weil die Zahl der "Gleichgesinnten" stetig zunimmt.